Das Hauptproblem bleibt

Bundestag, 27. Januar 2005, „Jahreswirtschafts-Bericht 05“
Rede von Petra Pau

1. 

Der Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung für 2005 gibt eine vorsichtige Wachstumsprognose für das Brutto-Inland-Produkt von 1,7 Prozent. Zugleich wird eine noch einmal höhere Arbeitslosenzahl als 2004 angenommen, also genau umgekehrt, als noch im Herbst vorausgesagt.
Das Hauptproblem für 4,5 bis 5 Millionen unmittelbar Betroffene und damit auch eines der Kardinal-Probleme für die Sozialsysteme - die Massenarbeitslosigkeit - bleibt also unverändert riesig, es nimmt sogar zu. Das ist das belastende Minus der Regierungs-Prognose.

2. 

Als Wirtschaftshemmnis wird gern auf die hohen Öl-Preise und den im Vergleich zum $ zu starken € verwiesen. Dass beide Einfluss auf die Wirtschaft und ihre Entwicklung haben, liegt auf der Hand.
Aber sie sind nicht die einzigen Faktoren, die hemmend wirken. Die entscheidende Schwachstelle ist nach wie vor der Binnenmarkt und die ist hausgemacht. Denn die Agenda 2010-Politik der Bundesregierung stärkt den Binnenmarkt nicht, sie schwächt ihn.

3. 

Allein durch Hartz IV und das Arbeitslosengeld II wurden dem Binnenmarkt Milliarden € an Kaufkraft entzogen. Das senkt die Nachfrage und das gefährdet insbesondere Klein- und Mittelständige Betriebe. Ergo werden weitere Arbeitsplätze gefährdet, statt neue zu schaffen.
Deshalb hat die PDS im Bundestag immer gesagt: „Hartz IV“ ist nicht nur aus sozialen Gesichtspunkten falsch. „Hartz IV“ ist auch wirtschaftlich kontraproduktiv, allemal in ohnehin strukturschwachen Regionen, im Osten und im Westen der Republik.

4. 

Obendrein werden Begehrlichkeiten geweckt, die unter dem Strich ebenfalls negativ zu Buche schlagen würden. Die so genannten 1-€-Jobs für ALG II-Empfänger für gemeinnützige Leistungen waren noch nicht einmal greifbar, da riefen schon Unternehmerverbände - hier.
1-€-Jobs sollten auch in der Wirtschaft geschaffen werden, so die gesetzwidrige Forderung, und ausgerechnet der für den Aufbau-Ost zuständige Minister Stolpe wurde mit den Worten zitiert, das könne er sich vorstellen. Die PDS lehnt das konsequent ab.

5. 

Wir fordern stattdessen alles zu unterlassen, was Lohndumping befördert, die Kaufkraft der Beschäftigten senkt und den Binnenmarkt schwächt.
Im Gegenteil: Es ist höchste Zeit für eine Grenze, damit Beschäftigte von ihrer geleisteten Arbeit auch wirklich leben können. Deshalb begrüße ich, dass nach ver.di nun auch die IG Metall wieder über einen gesetzlich fixierten Mindestlohn nachdenkt.
Nach Berechnungen vieler Sozialwissenschaftler müsste ein solcher Mindestlohn oberhalb von 1.400 € brutto angesiedelt werden. Die PDS schließt sich dieser Auffassung an und ich erwarte von der SPD und von den Grünen, dass sich beide Fraktionen ebenfalls in Richtung Mindestlohn-Gesetz bewegen.

6. 

Es gibt weitere Faktoren, die ihre Schatten voraus werfen, auf soziale Standards zielen und den Binnenmarkt schwächen werden. Ich Verweise nur auf die EU-Dienstleistungsrichtlinie, die in Vorbereitung ist.
Bleibt sie so, wie sie derzeit geplant ist, dann wird sie einen EU-weiten Wettlauf um niedrigste Sozial- und Umweltstandards eröffnen. Das ist weder im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, noch im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung.
Deshalb fordert nicht nur die PDS: Die EU-Dienstleistungsrichtlinie muss gründlich überarbeitet werden, auch im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung.

7. 

Zugleich gilt es gemeinsam mit Polen und Tschechien die EU-Anschluss-Regionen gezielt und beschleunigt zu entwickeln. So, wie es Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit der Oder-Region gemeinsam vorhaben.
Das ist umso dringender, weil die anhaltend nötige EU-Förderung für ostdeutsche Regionen bislang nicht gesichert scheint. Die EU-Ost-Erweiterung birgt große Chancen für alle Beteiligten. Sie birgt aber auch Gefahren für ganze Regionen. Auch das gehört zur Wirtschafts-Prognose.

8. 

Schließlich werden der Binnenmarkt und die Wirtschaftsentwicklung so lange schwächeln, so lange die Kommunen als Auftraggeber ausfallen.
Oder anders gesagt: Wir brauchen eine Steuerreform, mit der die Nachfrage angekurbelt und nicht weiter gedrosselt wird. Die rot-grüne Politik aber bewirkt das Gegenteil.
Die bekannten Forderungen der CDU/CSU würden das Manko sogar noch potenzieren. Deshalb wiederhole ich für die PDS: Bei allen $- und Öl-Problemen, es gibt weitere Negativ-Faktoren, die auf der Wirtschaft lasten. Die meisten sind politisch hausgemacht.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

27.1.2005
www.petra-pau.de

 

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