Schnaps-Idee zum Feiertag

Bundestag, 12. November 2004, Aktuelle Stunde, „3. Oktober“
Rede von Petra Pau

1. 

„Was haben sich die Jungs dabei gedacht“, habe ich mich gefragt, als Bundeskanzler Schröder und Finanzminister Eichel ausgerechnet den „Tag der Einheit“ verbannen wollten.
Zum Glück hatten sie die Antwort gleich mit geliefert. Die Wirtschaft würde um 0,1 Prozent belebt, glauben sie. 0,1 Prozent sind exakt 1 Promille. Es war also eine Schnaps-Idee.
Allerdings keine neue. Denn derselbe Vorschlag kam vor Jahren schon von der CDU/CSU. Deshalb ist ihre gespielte Empörung, Frau Merkel, auch nicht ernst zu nehmen.

2. 

Aber wie so oft: „In vino veritas“, sagt das Sprichwort. Und tatsächlich steckte in dem Vorschlag, den „Tag der Einheit“ zu verschieben, eine gehörige Portion Wahrheit.
Denn würde der Tag der deutschen Einheit künftig immer sonntags begangen, dann wären die vielen Einheits-Ansprachen auch erkennbar das, was sie zumeist sind: Sonntags-Reden.

3. 

Der Alltag sieht anders aus. Nehmen wir nur „Hartz IV“ und das Arbeitslosengeld II. Das gemeine Ossi bekommt per Gesetz weniger, als das gemeine Wessi und das im Jahre 15 der Einheit.
Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund. Außer: Die geistige Mauer steht so ehern in den regierenden Köpfen, dass sie noch immer trennt, was doch eigentlich zusammen gehört.

4. 

Nun dachte ich, der Schröder-Eichel-Fauxpas ist nicht zu überbieten. Wie gesagt: dachte ich. Aber ich wurde eines Besseren belehrt.
Ausgerechnet ein „Sprachrohr des Ostens“ im gesamtdeutschen Amte kam auf die Idee: Das Wessi möge künftig genau so lange arbeiten, wie das Ossi, damit die Einheit gelinge. So bringt man den Aufbau-Ost als Alibi für den Abbau-West in Stellung.

5. 

Die erneut entflammte Feiertags-Debatte, rund um den 3. Oktober, zielt ohnehin in die falsche Richtung. Denn wäre die Zahl der Feiertage ein Indikator für Faulheit oder Schwäche, dann müssten Bayern oder Baden-Württemberg komplett am Boden liegen. Das tun sie aber offenbar nicht.
Deshalb schütteln auch alle Ökonomen, die nicht börsen-verpflichtet sind, sonder sozial-staatlich denken, den Kopf. Sie halten die gesamte Kampagne für längere Arbeitszeiten nämlich für grundsätzlich daneben.

6. 

Die PDS im Bundestag findet das auch. Verlängerte Arbeitszeiten wären gesellschaftlich ein Rückschritt. Mit Blick auf den Binnenmarkt und die Arbeitslosigkeit wären sie sogar kontraproduktiv.
Zu Recht sprach der DGB daher dieser Tage von voodoo-economics. Oder um sprachlich im Eingangsbild zu bleiben: Es ist eine Schnaps-Idee, die wir ganz nüchtern ablehnen.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

12.11.2004
www.petra-pau.de

 

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