PDS gegen „Hartz“

Bundestag, 9. September 2004, Haushaltsdebatte, „Wirtschaft und Arbeit“
Rede von Petra Pau

1. 

Finanzminister Eichel hat vorgestern ganz vorsichtig Optimismus versprüht. Die Wirtschaft springe an, meinte er, die Exporte boomen und vielleicht, so Minister Eichel, gesundet alsbald auch der Binnenmarkt.
Dann lobte er die so genannte Arbeitsmarktreform, „Hartz IV“. Genau das aber hätte er nicht tun sollen. Denn kommt „Hartz IV“, so haben die Wirtschafts- und Arbeitsminister aller neuen Bundesländer hochgerechnet - also quer durch die Parteien - dann gehen allein den „Neuen Bundesländern“ 1 Mrd. € an Kaufkraft verloren.
Anders gesagt: Der Binnenmarkt wird geschwächt. Klein- und Mittelbetrieben drohen Konkurse. Die Arbeitslosigkeit wird eher zu-, denn abnehmen.
Das ist ein Grund, warum die PDS im Bundestag „Hartz IV“ ablehnt.

2. 

Ich habe übrigens vor über zwei Jahren, exakt am 16. August 2002, das erste Mal gegen die so genannte Arbeitsmarktreform demonstriert. Damals wurden die „Hartz“-Module feierlich im Französischen Dom vorgestellt.
Damals klatschten die Gewerkschaften noch Beifall. Heute fürchten sie um die soziale Substanz der Republik: zu recht!

3. 

„Hartz“ wurde mit dem Versprechen präsentiert: Binnen zwei Jahren werde die Arbeitslosigkeit halbiert. Davon ist längst keine Rede mehr.
Die jüngste Arbeitslosen-Statistik sagt ohnehin etwas anderes. Die Zahl der Arbeitslosen ist mit weit über vier Millionen fast so hoch, wie am Ende der Kohl-Ära, als die CDU/CSU mit der FDP regierte.
Hinzu kommt: Die Zahl der Langzeitarbeitlosen ist deutlich gestiegen. Zugleich ist die Zahl der Arbeitsplätze spürbar gesunken. Das ist der gesellschaftliche Rahmen, in dem sie Arbeitslose zwingen wollen, ihres Glückes Schmied zu sein. Das ist absurd und unmoralisch.

4. 

Aber es geht nicht nur um „Hartz IV“. Die ganze "Agenda 2010" zielt in eine falsche Richtung.
Sie machen eine Steuerreform, bei der Großverdiener gewinnen. Und sie machen eine Arbeitsmarktreform, bei der die Schwachen verlieren. Sie nehmen denen, die konsumieren, und sie geben denen, die spekulieren.
Für die Grünen - für die neue Partei der Besserverdiener - mag das inzwischen normal sein. Sozial-demokratisch ist es nie und nimmer.

5. 

Das trifft übrigens auf alle strukturschwachen Regionen zu, auch im Westen, ob im Saarland, in Franken oder Bremerhaven. Deshalb ist es ein schnödes Ablenkungsmanöver, wenn „Hartz IV“ und wenn die Proteste dagegen in einen Ost-West-Konflikt umgedeutet werden.
Meine General-These ist vielmehr: „Die Agenda 2010“ insgesamt ist der Gegenentwurf zu einem modernen sozialen Rechtsstaat.

6. 

Nun ist ja viel von Populismus die Rede. Der Vorwurf wird mit Vorliebe gegen die PDS geschleudert. Ich finde das wenig souverän.
„Wir wollen im Rahmen der Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe keine Absenkung der zukünftigen Leistungen auf Sozialhilfeniveau.“
Und: „ArbeitslosenhilfebezieherInnen sollen nicht schlechter gestellt werden als bisher.“
Diese beiden Sätze - Versprechen so zu sagen - stammen aus den Wahlprogrammen der SPD und der Grünen von 2002. Getreu dem Motto: Vor der Wahl und nach der Jagd wird am meisten gelogen.
Deshalb: Behalten sie ihre Populismus-Vorwürfe bitte bei sich.

7. 

Kein Deut besser sind übrigens CDU-Politiker wie die Ministerpräsidenten Millbradt (Sachsen) oder Böhmer (Sachsen-Anhalt). Sie suggerieren, sie hätten gegen „Hartz“ gestimmt. Dabei waren sie stramm dafür.
Dagegen ist Wirtschafts- und Arbeitsminister Clement eine ehrliche Haut. Er kämpft für „Hartz IV“, mit bitter-böser Miene, was „Hartz IV“ auch angemessen ist.

8. 

Ein Weiteres: Sie haben, von CSU bis Grüne, mehrfach die PDS und die NPD in einen Topf geworfen. Sie sollten sich schämen und entschuldigen.
Nicht nur, dass sie damit viele Antifaschisten, die der Folter in faschistischen KZs entkommen sind und nun der PDS nahe stehen, schlimm beleidigen. Sie verharmlosen zugleich die NPD, die mit nationalistischen und rassistischen Parolen durchs Land zieht.
Mit dieser absurden Gleichsetzung gefährden sie das gesellschaftliche Bündnis gegen rechts und für Toleranz. So kurzsichtig darf man nicht denken, auch nicht im Wahlkampf.

9. 

SPD und Grüne, aber auch die Opposition zur Rechten, behaupten gern und oft, „Hartz IV“ sei alternativlos. Ich befürchte, sie glauben es inzwischen selbst.
Keine Politik ist alternativlos und ihre ist obendrein schlecht. Wir haben ihrer Agenda 2010 seit über einem Jahr eine „Agenda sozial“ entgegen gestellt. Ich werbe für sie, denn sie ist eine Alternative.
Sie verlangt allerdings wirkliche Reformen:
Wir wollen erstens eine andere Steuerpolitik, eine, die von oben nach unten umverteilt und nicht andersherum.
Wir wollen eine andere Sozialpolitik, eine die gerecht und solidarisch wirkt und nicht die Betroffenen zusätzlich belastet. Und wir wollen mehr Demokratie und keine „Basta“-Politik.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

9.9.2004
www.petra-pau.de

 

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