Aktuelle Notiz: Zoff und Lügen zu „Hartz IV“

von Petra Pau
Berlin, 17. August 2004

1. 

Fast alles, was heute „Hartz“ heißt, ist ein Auftragswerk der rot-grünen Bundesregierung. Noch vor der Bundestagswahl wurden die so genannten Hartz-Module medienprächtig im Französischen Berliner Dom präsentiert. Verbunden mit dem Versprechen: In zwei Jahren werde - dank „Hartz“ - die Massenarbeitslosigkeit halbiert. Das war 2002.

2. 

Ich war damals dabei: Draußen, bei den Protesten vieler Arbeitsloser, und drinnen, wo Arbeitsminister Holter (Mecklenburg-Vorpommern / PDS) gerüffelt wurde. Er hatte kritisiert, das „Hartz“-Konzept sei nicht ost-tauglich. Er wurde vor laufenden Kameras gescholten, weil er 12 Jahre nach der Vereinigung noch immer Ost-Politik vertrete.

3. 

Der Protest der PDS gegen die „Hartz“-Gesetze ist mitnichten neu, wie jetzt behauptet wird. Die unsachlichen Angriffe gegen die PDS-Einsprüche sind es auch nicht. Aber die Töne sind rauer geworden. Seit die SPD in Umfragen abstürzt und nicht nur in den neuen Bundesländern Zig-Tausende auf die Straßen gehen und montags demonstrieren.

4. 

Seit drei Wochen überschlagen sich Politiker und Kommentatoren - gegen die zunehmende Anti-„Hartz“-Stimmung im Lande. Parteien-Forscher und politisch engagierte Psychologen schütteln den Kopf, ob der verzweifelten Rundumschläge der vermeintlichen Eliten. Ich erkenne zumindest Ähnlichkeiten mit dem 1989 in der DDR Erlebten.

5. 

Irrerweise meldeten sich flugs einstige oder vermeintliche Bürgerrechtler aus DDR-Zeiten zu Wort. Allen voran Vera Lengsfeld aus Thüringen, längst MdB mit CDU-Ticket, von Ex-Kanzler Kohls Gnaden. Sie und andere sprachen den „,Hartz“-Kritikern das Recht ab, montags zu demonstrieren, denn der Montag sei durch sie historisch patentiert.

6. 

Die nächste Stufe der Empörungs-Rakete startete Grünen-Chef Bütikofer. Er bezeichnete die Protestanten gegen „Hartz“ als „schwarz und rot lackierte Populisten“. Das ist eine Weiterung eines historischen Zitates. Darin war von „rot-lackierten“ Faschisten die Rede. Bütikofer kennt es. Er rutschte nicht aus. Er zielte mit Vorsatz. Voll daneben.

7. 

Schließlich meldete sich Bundeskanzler Schröder zurück. Auch er bemühte einen historischen Vergleich und geißelte eine „neue Volksfront“ aus CDU und PDS. Beide würden derart „populistisch“ die rot-grüne Arbeitsmarkt-Reform verleumden, dass ihm „übel wird“. Ich habe ihn daraufhin öffentlich auf zwei Magenbitter eingeladen.

8. 

Meine Erfahrung: Immer, wenn in aktuellen Auseinandersetzungen Vergleiche mit der Hitler-Zeit strapaziert werden, wird es gefährlich. Zumal dadurch der Faschismus mit seiner Ideologie, seinen Kriegen und Massen-Morden - einschließlich Holocaust - verharmlost wird. Dass Grüne und Sozialdemokraten es dennoch tun, ist schlimm.

9. 

Selbst DGB-Chef Sommer versuchte sich an der allgemeinen Verunsicherung. Er warnte vor „Rattenfängern“, die den Protest missbrauchen könnten. Und er behauptet im Nachschlag, die PDS würde sich nicht deutlich von der NPD distanzieren. Warum gefährdet ein Gewerkschafts-Vorsitzender das fragile „Bündnis der Vernunft“,, das anno 2000 gegen „Rechts“ mobilisiert wurde, so leichtsinnig oder vorsätzlich?

10. 

Die CDU spielt CDU. Sie hat vor Jahren die Vorlage für die „Agenda 2010“ geliefert. Nachlesbar im „Zukunftsbericht der Freistaaten Sachsen und Bayern“. Sie hat Rot-Grün zu noch mehr Sozialabbau getrieben. Nun tut sie engelhaft und lügt. CDU-Minister-Präsidenten behaupten sogar forsch, sie hätten gegen „Hartz IV“ gestimmt. Nix da!

11. 

Am 19. Dezember 2003 wurde im Bundesrat und im Bundestag entschieden. Alle waren für „Hartz IV“, nur die PDS nicht. Wir hatten damals sogar beantragt, die Entscheidung zu vertagen. Denn das dicke Gesetzes-Werk hatte kein Abgeordneter des Bundestages rechtzeitig bekommen. Wir wurden für unseren Antrag als „gottlos“ beschimpft.

12. 

„Hartz IV“ verwaltet und mehrt Armut. Das gesellschaftliche Übel - Massenarbeitslosigkeit - wird privatisiert. Zugleich werden Spitzensteuern gesenkt. Der Sozialstaat verarmt. Dagegen protestieren Tausende, im Osten und zunehmend auch im Westen. Das ist ihr gutes, demokratisches Recht, an jedem Tag. Sie sind betroffen und sie wurden getäuscht.

PS:
Im März 2003 beschrieb Bundeskanzler Schröder seine General-Linie. Er nannte sie „Agenda 2010“. Er lobte die rot-grüne Absage am Irak-Krieg der USA. Und er plädierte für eine Stärkung Deutschlands durch die rot-grünen Reformen. Ich habe schon damals für die PDS erwidert: „Wir sagen Ja zu ihrem Nein zum Krieg. Und wir sagen Nein zu ihrem Ja zum Sozialabbau.“
 

 

 

17.8.2004
www.petra-pau.de

 

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