Kein Reform-Paket - ein Armuts-Gesetz

Bundestag, 2. Juli 2004, “Hartz IV“
Rede von Petra Pau

1. 

Wir reden heute abschließend über das 4. „Hartz“-Gesetz - zumindest hier drinnen, im Bundestag. Draußen, im wahren Leben, wird Hartz IV noch lange für Gesprächsstoff sorgen. Spätestens dann, wenn Millionen hautnah erleben, was das Gesetz praktisch bewirkt. Denn Hartz IV ist kein Reformpaket, Hartz IV ist ein Armutsgesetz. Deshalb lehnt die PDS es auch ohne Wenn und Aber ab.

2. 

Sie haben im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zäh um einen Kompromiss gerungen. Die Kommunen bekommen mehr Geld, als ursprünglich gedacht. Außerdem werden mehr Kommunen unmittelbar für ihre Arbeitslosen zuständig sein.
Aber das sind nur Ausführungs-Vereinbarungen. Der Kern von Hartz IV bleibt: Sie greifen Armen in die Tasche und zwingen sie zur Fron.
(Ich habe dieser Tage im Sozialdemokratischen Liedgut gekramt. Dort hieß es „Wir haben selbst erfahren, der Arbeit Frongewalt“. Heute wird die solidarische Inbrunst durch asoziale Agenden ersetzt. Reformen sind für wahr dringend. Nur sollte es hernach besser und nicht schlechter sein.)

3. 

Hartz IV schafft nicht einen Arbeitsplatz. Die Kollateralschäden aber sind gewaltig. Ich will drei skizzieren:
a) Wer künftig Arbeitslosengeld II empfängt, muss mit 345 € im Westen bzw. 331 € im Osten auskommen. Immer vorausgesetzt, die Betroffenen und ihre Angehörigen haben vordem ihre Ersparnisse abgeräumt. Wirtschaftsminister Clement findet das gerecht. Ich nenne das höchst unsozial. Obendrein wird Altersarmut programmiert. Denn die meisten Betroffenen müssen ihre Lebensversicherungen kündigen, damit sie das Arbeitslosengeld II erhalten. Das widerspricht der gesamten Renten-Theorie von Rot-Grün. Sie beschließen es dennoch.
b) Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) hat hochgerechnet, dass allein in der Hauptstadt ca. 400.000 Berlinerinnen und Berliner in den Strudel gerissen werden. Bundesweit sind es Millionen. Die Arbeitsminister-Ost haben schon vor Monaten festgestellt: Durch Hartz IV wird die Kaufkraft weiter schwinden, damit auch die Nachfrage, und mit ihr werden weitere Unternehmen in die Pleite getrieben. Es werden also keine Arbeitsplätze geschaffen, im Gegenteil, sie werden vernichtet.
c) Wer künftig arbeitslos wird, muss jeden Job annehmen, egal wo und auch weit unter Tarif. Damit dreht Rot-Grün weiter an einer großen Abwärtsspirale. Billig-Lohn wird zum Standard und Tarif-Löhne werden zur Ausnahme. Schon heute gibt es ganze Berufsgruppen, die für Stundenlöhne zwischen 2,50 und 3 € arbeiten. Leben kann man davon nicht. Die Gewerkschaften warnen vor „sozialpolitischem Sprengstoff“.

4. 

Nun noch ein Wort an die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Frau Göring-Eckardt aus Thüringen. Sie haben Hartz IV trotz allem gelobt und jede Kritik am Arbeitslosengeld II zurück gewiesen.
Normalerweise gönne ich niemandem Schlechtes. Aber wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann den: Nämlich, dass Sie - möglichst bald und leibhaftig - erleben müssen, was Sie anderen mit Hartz IV antun.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

2.7.2004
www.petra-pau.de

 

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