Größter Daten-Deal der Neuzeit

Bundestag, 27. Mai 2004, „Passagierdatensammlungen“ (Antrag der FDP)
Rede von Petra Pau

1. 

Vor wenigen Wochen hat die EU-Kommission einen Vertrag mit den USA vereinbart. Demnach werden von Passagieren, die die Vereinigten Staaten an- oder überfliegen, 30 und mehr persönliche Daten übermittelt.
Das hat weder etwas mit Bürgerrechten, noch etwas mit Datenschutz zu tun. Die USA wollen den gläsernen Bürger und die EU-Kommission ist ihnen dabei zu Diensten. Es geht um den größten Daten-Deal der Neuzeit. Die PDS lehnt ihn ab.

2. 

Die Verhandlungen zwischen den USA und der EU-Kommission liefen schon länger. Sie sind von Anfang an umstritten. Das EU-Parlament hat vor den Folgen eines solchen Vertrages gewarnt und mit Mehrheit beim Europäischen Gerichtshof dagegen geklagt.
Umso unlaublicher ist, was unter anderem der „Spiegel“ berichtete. Demnach soll Bundes-Innenminister Schily (SPD) dem Vertrag vorab zugestimmt haben - trotz erheblicher Bedenken aus der Bundes-Regierung.
Und der Bundesaußenminister hat diesen Datendeal noch nach dem ablehnenden Votum des EP abgesegnet. Deshalb finde ich auch: Das Problem ist eine echte Chefsache. Entweder haben die beiden Minister eigenmächtig gehandelt. Dann ist es höchste Zeit für ein Kanzler-Wort. Oder aber sie haben in Absprache agiert. Dann steht die gesamte rot-grüne Regierung am Pranger.

3. 

Nun komme ich zu Versuchen, den Daten-Schutz-Bruch zu verharmlosen. Die USA hätten sich verpflichtet, heißt es, die Daten nur 3 Jahre lang zu speichern und dann zu löschen. Ich finde: Wer im Internet-Zeitalter und wer angesichts anhaltender Wort-Brüche der USA an solche Versprechen glaubt, der glaubt wirklich an den Weihnachtsmann.
Außerdem hätten sich die USA verpflichtet, die EU zu informieren, falls sie gesammelte Daten an Dritte weitergeben. Das aber ist nichts anderes als ein Frei-Brief zum internationalen und geschäftstüchtigen Handel mit persönlichen Daten von Bürgerinnen und Bürgern. Man muss das Geschäft lediglich anzeigen, so als ginge es um eine neue Imbiss-Bude.
Es geht aber nicht um Würstchen oder Döner, es geht um ein verbrieftes Grundrecht - das der informationellen Selbstbestimmung. Deshalb hat die FDP-Fraktion Recht, wenn sie im Bundestag die gelbe Karte zieht. Ich gebe für die PDS gern noch die rote dazu.

4. 

Dass die Opposition zur Rechten - ich nehme die FDP aus - mit alledem kein Problem hat, wird niemanden verwundern. Ginge es nach den Sicherheits-Fanatikern der CDU/CSU, dann gäbe es längst keinen Datenschutz mehr, dann wäre das Demonstrationsrecht kastriert, dann bekämen wir einen Überwachungs-Staat neuer Prägung.
Wenn es dafür noch eines Beleges bedurft hätte, so wurde er im Zuge der Einwanderungs-Debatte geliefert. CDU und CSU haben aus einer Zuwanderungs- und Asyl-Debatte eine Polizei- und Geheimdienst-Debatte gemacht. Das hilft der Bundesrepublik Deutschland nicht. Das vergiftet das gesellschaftliche Klima. Das hat auch nichts mit einer modern verfassten Europäischen Union zu tun.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

27.5.2004
www.petra-pau.de

 

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