Gesetz wider Verbraucherschutz

Bundestag, 15. Januar 2004, Telekommunikations-Gesetz
Rede von Petra Pau

1.

Das neue Telekommunikationsgesetz trifft auf harsche Kritik - aus Kreisen der Wirtschaft, noch mehr von Datenschützern - zu Recht!

Deshalb erinnere ich sie eingangs an ein Jubiläum, das nahezu unbemerkt verstrich: Vor 20 Jahren sprach das Bundesverfassungsgericht sein so genanntes Volkszählungsurteil.

Damit stärkte es das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und den Datenschutz. Das nun vorliegende Telekommunikationsgesetz spricht diesem Urteil Hohn. Deshalb lehnt die PDS im Bundestag es ab.

2.

Sie wollen per Gesetz erzwingen, dass bei Telefongesprächen alle anfallenden Verbindungsdaten über sechs Monate gespeichert werden. Damit werden nicht nur Anrufer erfasst, sondern auch die Angerufenen.

Das widerspricht dem Datenschutz ebenso, wie dem Verbraucherschutz. Mehr noch: Sie behandeln im Informationszeitalter alle, die sich moderner Kommunikationsmittel bedienen, wie potentielle Verbrecher - man auch sagen: die gesamte Bevölkerung.

Wir alle wissen: Die technischen Möglichkeiten, Herr fremder Daten zu werden, wachsen immens. Leider wächst auch die Begierde des Staates, diese Möglichkeiten auszunutzen. Das ist die eigentliche Crux.

3.

Sie wollen sogar prophylaktisch sammeln. Wer ein Prepaid-Handy erwirbt - ein Handy mit beschränkter Karte, aber ohne Vertrag - soll künftig registriert werden.

Kein Rechnungs- oder Buchungsverfahren gebietet dies. Nur die ungehemmte Sammelwut persönlicher Daten. Diese angestrebte Identifikationspflicht ist nichts anderes, als eine Datenspeicherung ohne Verdacht auf Vorrat. Der Rechtsstaat geht, Big Brother kommt.

4.

Das ist von derselben Güte, wie der Vorschlag, künftig DNA von Säuglingen unmittelbar nach deren Geburt zu erfassen. Denn die Wahrscheinlichkeit wächst, dass sie später entweder Verbrecher oder Opfer werden. Das ist ihre Logik, unsere nicht.

5.

Aber nicht nur von Seiten der Nutzer moderner Kommunikation ist Ihr Gesetz ein Unding, auch für die Anbieter entsprechender Leistungen.

Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITKOM) hat die Zumutung sehr bildlich beschrieben. Ich zitiere den Hauptgeschäftsführer, Herrn Rohleder:

„Nimmt man allein den e-mail-Verkehr bei einem einzigen größeren Internet-Provider, so ergeben sich bei der geforderten zwölfmonatigen Dauer etwa 30.000 Gigabyte gespeicherter Daten. Ausgedruckt und abgeheftet wären das 3.000 Kilometer Ordner. Das ist mehr als die Strecke von Berlin bis Kairo.“ Mit Ökonomie hat das nichts zu tun.

6.

Aber, so rechnet Rohleder weiter: „Für die Sicherheitsbehörden relevant sind davon am Ende vielleicht 10 Meter.“

Ich füge an, selbst wenn es 100 Meter wären, so bliebe: Mehr als 99,99 Prozent aller Daten würden ohne Sinn und Verstand gesammelt.

Die PDS im Bundestag sagt dazu - klipp und klar - Nein! Wir lehnen das vorliegende Telekommunikationsgesetz ab.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

15.1.2004
www.petra-pau.de

 

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