Keine „Hartz“-Pralerei

30. 10. 2002, Bundestag, Debatte zur Arbeitsmarkt-Politik,
Rede von Petra Pau

1. 

Wenn wir über Arbeitsmarkt-Politik reden, dann reden wir über vier Millionen arbeitslose und noch mehr betroffene Menschen. Ich sage das den Statistik-Fans und ich wiederhole: Es geht um Menschen und Menschen-Rechte.
Wenn Minister Clement angesichts dessen meint, wir haben keinen Grund zur Schwarz - Malerei, dann halte ich dagegen: Es gibt überhaupt keinen Grund zur „Hartz“- Prahlerei.

2. 

Nun habe ich wohl vernommen, was in der Regierungserklärung dazu gesagt wurde: „Mit den Vorschlägen der „Hartz-Kommission“ ist es gelungen, …endlich ein schlüssiges Gesamtkonzept vorzulegen. Diese Vorschläge, die wir ohne Abstriche umsetzen, werden die größte Arbeitsmarktreform seit Bestehen der Bundesrepublik bewirken.“ (Ende des Zitats). Wahrlich große Worte für eine kleine Reform ! Aber gut, reden wir über die „Hartz“-Vorschläge.

3. 

Im September waren 290.000 Berlinerinnen und Berliner arbeitslos. Dem standen in der Hauptstadt ca. 9.000 freie Stellen gegenüber. Bislang konnte mir noch niemand schlüssig erklären, wie 290.000 Arbeitslose - effektiver - in 9.000 Stellen zu vermitteln sind.

4. 

Ich war im Französischen Dom dabei, als die „Hartz“-Vorschläge als Non-Plus-Ultra feilgeboten wurde. Nur einer fiel aus dem feierlichen Rahmen: Der Arbeitsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Herr Holter. Er stellte die simple Frage, was das vielgelobte Konzept im Osten bewirken solle. Die Antwort: „Wir sind im Jahr zwölf der Vereinigung!“ Er - Holter - möge endlich zur Kenntnis nehmen, dass daher jedes Ost-Denken fehl platziert sei.

5. 

Ich kommentiere das jetzt nicht. Ich empfehle nur Herrn Bundesminister Clement und Herrn Ost-Minister Stolpe: Konsultieren sie die PDS-Arbeitsminister in Berlin und Schwerin. Herr Wolf und Herr Holter arbeiten intensiv daran, positive Ansätze aus dem „Hartz“-Konzept lebens-tauglich zu machen.

6. 

Das eigentlich Neue am sogenannten Arbeitsmarkt besteht darin, dass es Vollbeschäftigung im herkömmlichen Sinne nie mehr geben wird. Ergo brauchen wir wirklich neue Antworten. Rot-Grün gibt sie leider nicht.
Deshalb habe ich ihnen vorgeworfen, dass sie unverändert dem Götzen „Wirtschaftswachstumѻ hinterher hecheln und dass sie wider besseres Wissen immer wieder die Betroffenen an den Pranger stellen.

7. 

Dabei gibt es neue Ansätze. Ich nenne nur Stichworte: öffentlich-geförderter Beschäftigungs-Sektor, existenz-sichernde Grundsicherung, drastische Arbeitszeit-Verkürzung sowie eine wirkliche Steuer- und Sozial-Reform. Das alles nicht als Einzelstücke, sondern zusammen-wirkend und nach vorn gedacht.

8. 

Fragen Sie also nicht wie gestern, Herr Bundes-Kanzler, was ich für den Staat tun kann. Fragen Sie mich, was Sie für die Gesellschaft tun können. Ich sage es Ihnen gern.
 

 

 

30.10.2002
www.petra-pau.de

 

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